Die Geschichte der Obertöne –

eine Geschichte westlicher Tonkultur

Einleitung
Obertonmusik mag für das eine oder andere Ohr exotisch klingen – interessanterweise jedoch hat die Obertonmusik ihre Wurzeln auch in der europäischen Musikkultur. Die frühe westliche Musik war, wie die aller anderen Kulturkreise und Völkerschaften auch, von den Obertönen geprägt. Dies galt insbesondere für die Klangfarbe der Stimmgebung sowie das Klangideal der
Instrumente. Die Musik war grundtonorientiert, also ausschließlich auf ein Zentrum hinausgerichtet. So fand in der musikalischen Analogie das Anliegen des damaligen Menschen Ausdruck, den einen Gott zu loben und eins mit ihm zu werden. Ein Beispiel dafür findet sich im Gesang der gregorianischen Choräle. Sie bewegen sich ausschließlich im modalen Rahmen der Kirchentonarten. Hört man diesen Gesängen konzentriert zu, sind die dazugehörenden Obertöne wahrnehmbar.

Im Laufe der kulturellen Entwicklung veränderten sich die musikalischen Ansprüche. Im Barock z.B. wollten die Komponisten weite harmonische Reisen durchführen. Größere Modulationen konnten jedoch wegen der reinen Stimmung nur im begrenzten Rahmen durchgeführt werden. Die Ursache erklärt sich folgendermaßen: Wenn man reine Quinten übereinander schichtet, wie vom Bild des Quintenzirkels her bekannt, kommt man nicht genau beim Ausgangspunkt, sondern bei einem Ton der etwas höher liegt wieder an.
Räumlich gedacht bedeutet das: Der Quintenzirkel ist nach der reinen, obertonalen Stimmung eine Spirale – eine dreidimensionale evolutionäre Struktur! Dieses System ließ sich jedoch nicht auf die Tasteninstrumente übertragen.